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Sie nennen uns Falken

Quelle. elsevierweekblad.nl

In Italien werden die frugalen Mitgliedstaaten Niederlande, Dänemark, Schweden und Österreich “die Falken” genannt. In italienischen Fernsehnachrichten wird, sobald von den Frugalen die Rede ist, gerne Bundeskanzler Sebastian Kurz und der niederländische Premierminister Mark Rutte zur leichteren Visualisierung ins Bild gesetzt. Österreich wird dann ebenso wie auch die Niederlande als geizig und hartherzig wahrgenommen, die auf Kontrollrechte und eigene Rabatte beharren.

Eine Einigung über den EU-Finanzrahmen bis 2027 und den Wiederaufbaufonds, der insbesondere den am härtesten getroffenen Mitgliedstaaten helfen soll, nach der Corona-Krise wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen, ist längst überfällig. Viele Bürger und Bürgerinnen der EU sind durch Covid-19 hart getroffen. Die Pandemie ist längst noch nicht vorüber. Jeder Tag zählt und Klarheit über den EU-Finanzrahmen ist schon deshalb notwendig, damit die neuen Finanzprogramme pünktlich 2021 starten können.

Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, versuchte mit einem Kompromissvorschlag die fest gefahrenen Verhandlungen beim EU-Wiederaufbaupaket zu deblockieren, indem er eine Art Notbremse vorschlug, bei denen die Mitgliedstaaten die Reformpläne mit qualifizierter Mehrheit annehmen müssen. Der niederländische Premier Rutte wollte ursprünglich sogar ein Vetorecht, was aber für Italien eine rote Linie war. Für Österreich, Dänemark und Schweden wurden sogar höhere Rabatte vorgeschlagen. Der vorgeschlagene Kompromiss macht die konkrete Handhabe des Wiederaufbaufonds komplizierter und stärkt die Mitgliedstaaten.Charles Michel hat gezeigt, dass er die Verhandlungen im Europäischen Rat führen kann. Für die EU ist es wichtig, dass sie zeigt, dass sie lösungsorientiert ist.

Die EU-Bürgerinnen und Bürger verdienen eine handlungsfähige Europäische Union! Weiters wäre ich froh, wenn wir das frugale Image bald ablegen könnten und in Italien eher als “cari amici”, als “liebe Freunde” wahrgenommen würden, die Notleidende nicht hängen lassen. Dazu wäre freilich noch ein bisschen mehr europäisches Gemeinschaftsgefühl erforderlich.

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100 Tage Corona

Es war lange Stillstand. Corona hat wie eine Lupe auf die Problemfelder in unserer Gesellschaft gezeigt. Große Ungleichheiten bei Bildung, Gesundheit und Arbeit kamen zu Tage und werden noch virulenter. Schonungslos wurde uns aufgezeigt, wie verletzlich wir sind und wie schnell wir durch eine Pandemie ausgebremst werden können. Ja, wir waren nicht ausreichend auf eine weltweite Seuche vorbereitet und wir werden die wirtschaftlichen und sozialen Folgen noch lange spüren. Und wie geht es uns nach rund 100 Tagen Corona? Durchwachsen. Die Freude über gelockerte Maßnahmen ist groß. Der wirtschaftliche Ausblick düster. Die Frage ist nun vielmehr, welche Lektionen ziehen wir daraus uns was nehmen wir für die Zukunft mit? Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 bis 2011 haben wir gesehen, dass zögerliches Verhalten der Spitzenpolitiker das Aufspannen der Rettungsschirme für Griechenland nur noch teurer gemacht hat. Vor allem Deutschland hat diese Lektion gelernt und stärkt die EU mit dem Aufbaufonds, weil Merkel systemisch versteht, dass Deutschland die EU braucht und umgekehrt. Seit über zwei Jahren diskutieren Staats- und Regierungschefs das nächste EU-Budget. Beim virtuellen Gipfel konnte man sich wieder nicht einigen, aber zumindest gibt es eine “Landezone”. Die Hoffnung besteht, dass gleich zu Beginn der Deutschen Ratspräsidentschaft noch im Juli dann doch noch die einstimmige Einigung erzielt werden kann. Ich glaube, dass langsam erkannt wird, dass der Faktor Zeit wichtig ist und weiteres Durchwursteln keine Strategie ist. Die Debatten über die Folgen von Corona werden weiter gehen. Jene über die Zukunft der EU übrigens auch. Ich empfehle für zukünftige Politikentscheidungen die Corona-Erfahrungen wie eine Lupe zur Hand nehmen und zu überlegen, welche sozial- und gesundheitspolitischen, aber auch bildungs- und wirtschaftspolitischen und klimafreundlichen Schwerpunkte zu setzen sind, damit wir solchen Krisen künftig gewachsen sind. Die aus der Corona-Zeit gewonnenen Erkenntnisse sollten nicht verschwendet werden.

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Zeit für eine europäische Renaissance

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Foto: Pixabay

„Meistens belehrt erst der Verlust uns über den Wert der Dinge“, schrieb Arthur Schopenhauer in seinen „Aphorismen zur Lebensweisheit“. Sein Ratschlag hat nichts an Aktualität verloren. Seit Corona mussten wir viele unserer lieb gewonnenen Gewohnheiten radikal umstellen. Wir spüren den Wert derjenigen Dinge mehr, die wir in „normalen“ Zeiten 1000fach ohne groß darüber nachzudenken genießen konnten. Ich denke dabei an freies, grenzüberschreitendes Reisen, Menschen unbegrenzt treffen oder einladen zu dürfen und Kulturveranstaltungen besuchen zu können. Diese Freiheiten und die Möglichkeit der unbeschränkten Mobilität sind für mich die Kernwerte der Europäischen Union. Ich sehne mich danach wieder zur alten, unbeschwerten Zeit ohne Maskenpflicht, Maßregelungen und Mobilitätseinschränkungen  zurückkehren zu können.

2020 ist ein großes Jahr der Jubiläen und Gedenktage. Neben all den historischen Daten die an das Ende des 2. Weltkrieges und die Wiedererrichtung der Republik Österreich erinnern, möchte ich noch einen europäischen Feiertag in Erinnerung rufen: den Europatag am 9. Mai. Vor genau 70 Jahren verkündete der französische Außenminister Robert Schuman seinen Plan, eine Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) zu schaffen, die die französisch-deutsche Produktion von Kohle und Stahl kontrollieren sollte. Dadurch sollte einerseits die Grundlage für den wirtschaftlichen Wiederaufbau gesichert, aber andererseits einseitige Aufrüstung verhindert und damit Krieg zwischen Frankreich und Deutschland unmöglich gemacht werden. Mit dieser EGKS wurde der Grundstein für die heutige Europäische Union gelegt, die letztlich auf einer Friedensidee basiert. Österreich ist seit 25 Jahren Mitglied der Europäischen Union. Und was hat uns diese Mitgliedschaft gebracht? Mehr Öffnung, mehr Exportchancen, mehr Wirtschaftswachstum, Preisvergleiche durch den Euro, mehr Konsumentenschutz, mehr Arbeitsplätze, Reisen, Wohnen, Arbeiten und Studieren ohne Grenzen. Covid-19 hat hier Sand ins Getriebe gestreut.  Die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen werden uns noch länger begleiten. Die Pandemie zeigt uns, wir sitzen alle im selben Boot. Keiner von uns kann Corona allein besiegen. In einer vernetzten Welt müssen wir es alle gemeinsam schaffen, Covid-19 unter Kontrolle zu halten. Damit wir in der EU auch wieder gestärkt aus der Krise hervorgehen können, ist es am besten, wenn wir unsere Ressourcen zur Bekämpfung der Pandemie und ihren Folgen bündeln, wie das bei der gemeinsamen Erforschung eines Impfstoffs beispielsweise der Fall ist. Genauso wie Visionäre wie Robert Schuman den Grundstein für ein geeintes Europa legten, ist es Zeit für eine europäische Renaissance. Wagen wir mehr gemeinsames Handeln in Europa!

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Krisen-Nationalismus versus EU-Solidarität

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Hat es COVID-19 gebraucht um uns durchzuschütteln? Als ob die Polykrisen der vergangenen Jahre innerhalb und außerhalb der EU noch nicht genügt hätten, Bewusstsein zu schaffen, dass wir in der EU gemeinsam agieren müssen?  

Die Corona-Pandemie hat viele Mitgliedstaaten am falschen Fuß erwischt. „Brüssel“ oder „die EU“ sind wieder einmal schuld an allem und der Krisen-Nationalismus hat Hochkonjunktur.

Das unsolidarische Verhalten vieler EU-Mitgliedstaaten hat mich sehr irritiert. Schnell wurden innerhalb der EU wieder Grenzen kontrolliert, Exportverbote für Schutzausrüstung verhängt (auf Druck der Europäische Kommission wieder aufgehoben) und „der EU“ wurde rasch der schwarze Peter hingeschoben und ihr Versagen vorgeworfen.  Gleichzeitig haben die Vertreter der Mitgliedstaaten in diversen Ratsgremien Solidarität eingefordert, die sie aber selbst nur sehr zögerlich gewähren. Statt „alle für einen und einer für alle“ reagiert eher die Devise „jeder für sich“. Wenn man das Wesen der EU wirklich verstehen möchte, muss man zuerst begreifen, dass die EU nur im Zusammenspiel aller EU-Organe funktionieren kann. Kommissionspräsidentin Von der Leyen bemängelte kürzlich im Europäischen Parlament „als Europa echten Gemeinschaftsgeist brauchte, wählten zu viele zunächst den Alleingang. Und als Europa wirklich beweisen musste, dass wir keine Schönwetterunion sind, weigerten sich zu viele zunächst, ihren Schirm zu teilen.“  Dabei sind die Mitgliedstaaten für Gesundheitsfragen und auch für die Bevorratung ihrer Gesundheitsinfrastruktur zuständig. Die EU-Kommission arbeitet auf Hochdruck in ihrem Zuständigkeitsbereich, kümmert sich um gemeinsame Beschaffung von Schutzausrüstung, lockert Budgetregeln, organisiert über den EAD Rückholflüge und bringt in Rekordzeit SURE, ein Kurzarbeits-Unterstützungsinstrument auf den Weg. Die EU tut was sie kann. Sie ist aber auch von der Bereitschaft zur Teamarbeit seitens der Mitgliedstaaten abhängig. Die COVID-19 Pandemie ist eine Herausforderung für alle. Wir sitzen alle im selben Boot. Wenn wir es als Union nicht schaffen, nationale Egoismen zu überwinden, ist die EU als Wohlstands- und Gemeinschaftsprojekt zum Scheitern verurteilt! Es geht nur gemeinsam.

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EU-Budgetverhandlungen offenbaren Brüche

Cartoon von Pierre Kroll aus 2010, sinngemäß für die Budgetverhandlungen auch noch 2020 gültig.

Fast zwei Jahre dauert dieses Schattenboxen um den mehrjährigen Finanzrahmen schon an und letztlich feilschten die Staats- und Regierungschefs vergeblich um die zweite Ziffer hinter dem Komma. Diese Verhandlungen sind wie multidimensionales Schachspiel und gehören zu den schwierigsten in der EU überhaupt. 27 Länder bedeuten 27 Meinungen unter einen Hut zu bringen. Bei diesem EU-Basar waren Fragen zu klären, wie viel die EU ausgeben darf und wofür. Dabei wurden Unterschiede nicht verringert, sondern die Brüche innerhalb der EU offenbart. Der Bevölkerung wurde vorgeführt, wie schwierig Einigungen auf europäischer Ebene herbeizuführen sind, insbesondere, wenn sie einstimmig zu erfolgen haben. Weltpolitikfähigkeit sieht anders aus. Die Verhandlungen um die Budgetzahlen spielten sich im Promillebereich hinter dem Komma ab.

Es ging aber auch um die Frage, bei welchen Rubriken (Bereichen) es Aufstockungen und wo es Kürzungen geben sollte? Hier hatten Mitgliedstaaten natürlich unterschiedliche Prioritäten. Vereinfacht gesagt, sollte mehr in Kühe oder doch mehr in Klimaschutz investiert werden? Sollte Fördergeld an rechtsstaatliche Bedingungen geknüpft werden? Sollte bei der Hilfe für die ärmsten Regionen Europas gekürzt werden? All diese Fragen bargen großen Konfliktstoff, legten schonungslos die Differenzen zwischen den Sparsamen Vier und den Freunden der Kohäsion offen. Wenn’s ums Geld geht, hört sich der Spaß auf. Deswegen sind Einigungen beim EU-Budget ja so schwierig, weil in dieser Situation das Trennende vor dem Gemeinsamen überwiegt. Was die EU aber dringend bräuchte, wäre mehr Vertrauen untereinander, mehr Miteinander und Zusammenhalt.

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Initiativen sind zu kurz gedacht

Fotocredit: Bence Labossa

Die türkis-grüne Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass alle Jugendlichen zwischen 15-20 Jahren einmal für eine Woche nach Brüssel und dort die EU-Institutionen kennenlernen sollen. Schönes Ziel. Stimmt, ich kann bestätigen, dass Brüsselreisen Saulus-Pauluswunder bewirken können. Viele Besuchergruppen kehren europabewusster und informierter zurück. Die EU-Institutionen von innen zu sehen, selbst zu erkennen, dass hier keine Eurokratenmonster, sondern hoch engagierte Menschen mit viel Herzblut für die Zukunft der EU arbeiten, ist absolut begrüßenswert. Zusätzlich profitieren viele von der Möglichkeit, Informationen aus erster Hand zu erhalten, so manche Mythen können aufgeklärt werden. Wenn junge Menschen erleben, dass die Welt größer und bunter ist, als man es eigentlich von zu Hause gewohnt ist, das kann für Jugendliche sogar lebensentscheidend sein. Nur kommen wir vom Anspruch zur Wirklichkeit: In Österreich gibt es rund 500. 000 Jugendliche. In der Sekundarstufe II sind laut Statistik Austria 436 110 Schüler und Schülerinnen. Es ist komplett unrealistisch, dass alle Jugendlichen nach Brüssel reisen und sie können auch nicht zwangsverpflichtet werden. Wie bei vielen anderen Stellen des Regierungsprogramms auch, sind viele Vorhaben eher Überschriften. Die Finanzierung ist offen, Details, ob das eine Initiative des Bildungsministeriums oder des Bundeskanzleramts ist, sind nicht bekannt. Frau Europaministerin Edtstadler hat in einem ZIB2-Interview zwar angekündigt, dass so viele Jugendliche wie möglich nach Brüssel kommen sollen und dass das so flächendeckend wie möglich umgesetzt wird. Ich befürchte, dass eine solche Ankündigung von vornherein zum Scheitern verurteilt sein wird. Selbst wenn künftig 100 Schulklassen aus ganz Österreich statt ihrer Sport-, Wien- oder Schullandwoche nun nach Brüssel reisten, wäre das de facto ein großer Anstieg. Es würde aber trotzdem nicht als Erfolg bewertet werden, weil gemessen an der Gesamtzahl, das nur ein Tröpfchen auf dem heißen Stein ist. Ich hätte mir realistischer, messbare und überprüfbare Ziele gewünscht, zum Beispiel die Aktion „1000 Lehrer nach Brüssel“ wieder zum Leben erweckt. In der Folge wären sicher Brüsselreisen ganz von alleine entstanden.

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Fragile EU

Foto: britannica.com

Die Europäische Union ist dann erfolgreich, wenn sie geeint auftritt. Leider ist das in letzter Zeit nicht oft zu beobachten. Schuld daran sind die Mitgliedstaaten, die durch ihr teils egoistisches Verhalten die Rolle Europas in der Welt schmerzhaft kleiner machen, als es eigentlich notwendig wäre. Illustrieren lässt sich das bei außenpolitischen Beispielen: So blockierte Frankreich beim EU-Außenministerrat den Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Obwohl es alle Vorgaben erfüllt, sogar seinen Namen von Mazedonien in Nordmazedonien im Hinblick auf beginnende Beitrittsverhandlungen änderte, zahlreiche Reformen durchgeführt hatte und als Vorbild für den ganzen Westbalkan gilt, wurde das Land nun erneut vor den Kopf gestoßen. Ebenso Albanien, bei dem neben Frankreich noch weitere Mitgliedstaaten wie die Niederlande, Dänemark und Spanien den Beginn von Beitrittsverhandlungen ablehnten. Österreich ist traditionell ein Brückenbauer für die Länder des Westbalkans und hätte den Beginn der Beitrittsverhandlungen auch aus wirtschaftlichem Eigeninteresse mit beiden Ländern gerne gesehen. Erweiterungskommissar Johannes Hahn hinterfragte zu Recht, wie die EU international ernst genommen werden soll und globalen Anspruch erheben will, wenn sie nicht einmal in der unmittelbarsten Nachbarschaft funktioniere.

Die EU muss sich schon fragen lassen, inwieweit sie noch als verlässliche und glaubwürdige Partnerin gelten kann. Wie lange wird sie in Kandidatenländern die Motivation zur Hinwendung an die Europäische Union aufrechterhalten? Oder gibt es nicht andere Akteure wie beispielsweise Russland, Türkei oder China, die vielleicht nicht so fordernd auf Reformen und Beitrittskriterien beharren und nach Einfluss streben? Die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen möchte eine geostrategische Kommission sein und Europa in ihrer Rolle des „verantwortungsvollen, globalen Leaderships stärken“.  Wie soll das mit einem erodierendem Erweiterungsprozess zusammen passen? Verspätungen und Verschiebungen ist die EU, siehe Brexit, gewohnt. Ihre Verlässlichkeit sollte sie aber nicht aufs Spiel setzen.

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Unsere europäische Lebensart

In der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen soll es einen Vizepräsidenten mit der Zuständigkeit für „Schutz unserer europäischen Lebensart“ geben. Dafür auserkoren wurde der Grieche Margaritis Schinas, der ehemalige Chefsprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die Bezeichnung des künftigen Portfolios von Schinas geriet gleich nach Bekanntgabe des Teams der Kandidaten und Kandidatinnen für die von der Leyen-Kommission heftig unter Kritik. Was genau soll „Schutz der europäischen Lebensweise“ heißen und besteht nicht das Risiko, dass es mit der Verknüpfung der Zuständigkeit mit Migration, Asyl, Sicherheitsunion eher in Richtung „Sicherung der Festung Europas“ verstanden werden könnte? Oder meint es eher, die EU steht für Wohlstand, Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit von Frauen und Männern, Rechtsstaatlichkeit, Nichtdiskriminierung, Frieden? Hier gibt es wohl Interpretationsspielraum. Ein Blick in die von der zukünftigen Präsidentin der EU-Kommission von der Leyen mitgeschickte Arbeitsbeschreibung für den designierten Vizepräsidenten „für den Schutz unserer europäischen Lebensart“ gibt Auskunft. Laut von der Leyen fußt die europäische Lebensart auf „Solidarität, Seelenruhe und Sicherheit“. Legitime Ängste und Sorgen über die Auswirkungen von irregulärer Migration auf Wirtschaft und Gesellschaft müssten angesprochen werden und gemeinsame Lösungen ausgearbeitet werden. Kompetenzen, Bildung und Integration spielen hier eine Schlüsselrolle im Portfolio von Schinas. Er muss beispielsweise die Arbeit an einer ambitionierten Bildungsagenda koordinieren und einen Europäischen Bildungsraum in die Realität umsetzen, während Bildung gar keine EU-Kompetenz ist, sondern unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung steht. Außerdem soll er dafür sorgen, dass der Zusammenhalt der Gemeinschaft gestärkt und Migranten und Flüchtlinge besser in die Gesellschaft integriert werden. Angesichts dieser Arbeitsbeschreibung frage ich mich, warum hat von der Leyen dieses Portfolio nicht gleich „Vizepräsident für Bildung und Integration“ genannt? Das wäre ein schönes Signal gewesen, weil  Bildung und Integration unsere europäische Lebensart nicht nur schützt, sondern sogar verbessert.

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Boris der Blender

Im Vereinigten Königreich ist jetzt Boris Johnson der neue Premierminister von 66 Millionen Briten. Er wurde nicht durch eine Volkswahl, sondern nur von rund 100.000 der 160.000 Mitglieder der Tory Party zu ihrem Parteivorsitzenden gewählt. Damit beerbte er beide Funktionen von Theresa May, Tory-Parteivorsitz und das Amt des Premierministers. Johnson erinnert mich ein bisschen an einen frechen Schüler, der als Klassenclown zwar beliebt und intelligent, aber unglaublich faul ist und am Ende dann doch immer durch kommt. Ob es diesmal für den neuen britischen Premierminister wieder so ausgehen wird? Johnson, der ständig seine Meinung änderte, je nachdem wie es für ihn gerade opportun erschien. Noch als Londoner Bürgermeister vertrat er sozialliberale Ansichten. Beim Thema Brexit war er zu Beginn bei den Befürwortern eines Verbleibs des Vereinigten Königreichs bei der EU und pries die Vorzüge des Freihandels, bis er ins Camp der Brexiteers wechselte, weil er sich mit dieser Positionierung bei den konservativen Tories bessere parteiinterne Karrierechancen ausrechnete. Das Thema Brexit ist also nach einer wohltuenden Pause wieder zurück auf der politischen Agenda. Die Herausforderungen sind aber die gleichen geblieben. Auch ein Boris Johnson wird Themen wie die Nordirland-Grenze und das 585-seitige EU-Austrittsabkommen, das schon dreimal im Unterhaus gescheitert ist, nicht einfach wegzaubern können. Viele Beobachter in Brüssel rechnen mit einem ungeordneten Brexit. Bis dorthin sind planmäßig noch 95 Tage, es sei denn, das Vereinigte Königreich ersucht um einen neuerlichen Aufschub und hat dafür auch gute Gründe. Also, keine Schonfrist für Boris Johnson! Seitens der EU wird das Austrittsabkommen nicht mehr aufgemacht werden. Boris Johnson ist also unter Zugzwang, seine vollmundigen Versprechen einzuhalten. Viel Spielraum aus der Sackgasse heraus zu kommen, hat er nicht. Und Blenden und Bluffen wird nicht mehr genügen. Ein Premierminister sollte verantwortungsvoll für die Zukunft seines Landes sorgen. Einen EU-Austritt ohne Abkommen sollte er um jeden Preis vermeiden. Nur gut, dass die EU auf alle Eventualitäten vorbereitet ist.

Österreich in der EU · Blog · Home · Wahlen zum Europäischen Parlament

Ihre Stimme zählt heute

(Bild von Clker-Free-Vector-Images auf Pixabay)

Nach dem Auftauchen des Ibiza Videos hat es ordentlich gerüttelt in der Republik. Zack, zack, zack ging es und die österreichische Bundesregierung steht bis zu den Neuwahlen im September auf wackeligen Beinen. Das Video hat schonungslos demaskiert, wie der ehemalige Vizekanzler HC Strache, der stets betonte die Interessen des kleinen Mannes vertreten zu wollen, wirklich tickt. Unglaublich, wie skrupellos er die Republik zur eigenen Machtmaximierung an vermeintliche russische Oligarchen verscherbelt und Österreichs Medienlandschaft und Auftragsvergabe à la Autokraten wie Erdogan gestaltet hätte. Die Empörung darüber ist nachvollziehbar. Unserem Herrn Bundespräsidenten Van der Bellen bin ich dankbar, dass er die richtigen Worte findet und unaufgeregt in einer politischen Ausnahmesituation die richtigen Schritte setzt. Seine Rolle war noch nie so wichtig! Haben Sie noch die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl und das knappe Ergebnis in Erinnerung? Sie sehen, jede Stimme zählt.

Das bringt mich zu den Europawahlen: Die Regierungskrise in Österreich hat die heute stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament überschattet. Heute geht es darum wie die Mehrheitsverhältnisse für die nächsten fünf Jahre im Europäischen Parlament aussehen werden. Sie können mitbestimmen, welche österreichischen EU-Abgeordnete Sie im Europäischen Parlament vertreten sehen wollen, indem Sie jener Partei Ihre Stimme geben, die Ihren Ideen und Werten entspricht. Damit können Sie auf die künftige EU-Politik Einfluss nehmen. Heute um 23 Uhr wird das österreichische Wahlergebnis durch den neuen Innenminister Eckhart Ratz als Leiter der Wahlbehörde verkündet werden. 15 Minuten später werden wir das vorläufige EU-Ergebnis erfahren. Durch Ihre Teilnahme an der Wahl zum Europäischen Parlament leisten Sie einen Beitrag zur Stärkung der Legitimation dieses demokratischen Organs. In Europa geht es um Werte wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Freiheit. Setzen Sie ein Zeichen, stehen Sie auf, gehen Sie wählen. Vergeben Sie eine Vorzugsstimme. Unterstützen Sie die Demokratieverfechter und nicht die Demokratieverächter.