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Lektionen des Brexits

 (Bild von Willfried Wende auf Pixabay)

 „Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird!“  ist ein weiser Satz von Heinz von Foerster, dem Begründer des ethischen Imperativs. Theresa May ging eher den gegenteiligen Weg. Das britische Unterhaus engte ihr durch permanentes Neinsagen die Anzahl der Optionen immer mehr ein. Man hatte zeitweise das Gefühl, das Vereinigte Königreich bewegt sich beim Thema Brexit im Kreis und findet den Ausgang nicht, während die Uhr weiter tickt. Viele von uns sind bereits durch den Brexit erschöpft und können das Thema nicht mehr hören, obwohl er noch gar nicht stattgefunden hat. Der Slogan der Brexitbefürworter „Wir wollen unsere Kontrolle zurück“ hört sich heute angesichts der chaotischen Zustände zynisch an. Ich persönlich wünsche mir, dass dieses Thema, das unzählige Personen und Ressourcen bindet, bald einmal abgehakt ist und dass wir uns in der EU wichtigen Zukunftsvorhaben widmen können. Ein paar Lektionen kann man aber doch ziehen.

1) Mit Demokratie spielt man nicht.

Man darf nicht vergessen, dass dieser ganze Schlamassel von Mays Vorgänger, David Cameron eingebrockt wurde, der aus innerparteilichen Konflikten heraus leichtfertig ein Referendum anzettelte. Und das über eine Frage, die für ein Land existenziell ist und worüber die Wähler kaum Informationen über mögliche Auswirkungen hatten.

2)  Vorausschauende Szenarioplanung und adäquate Vorbereitung sind zwingend!

Der ganze Brexit-Prozess hat schonungslos aufgedeckt, wie unvorbereitet das Vereinigte Königreich auf das Brexit-Votum war.  Offensichtlich wurde ohne genauen strategischen Plan voreilig mit den Austrittsverhandlungen begonnen, ohne genau zu wissen, welches Ergebnis am Ende eigentlich herauskommen sollte.

3) Die Rückkoppelung mit dem eigenen Parlament ist erforderlich.

Die britische Regierung hat in Brüssel den Austrittsvertrag mit der EU-Kommission verhandelt und zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Großbritannien wurde Einigung erzielt. Den Austrittsvertrag brachte Theresa May bisher aber nicht im eigenen Parlament durch. Er wurde bereits dreimal im Unterhaus abgeschmettert. Und nun, fast drei Jahre nach dem Referendum und nach über zwei Jahren Brexit-Verhandlungen, findet Theresa May die Zeit reif, einmal mit dem Oppositionsführer Jeremy Corbyn zu sprechen. Hingegen hielt die Einigkeit unter den EU27-Staaten. Warum? Weil die Europäische Kommission höchst professionell agierte und sie alle EU Mitgliedsstaaten konsequent informiert hielt.

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Europas Desintegration

(Bild von Mediamodifier auf Pixabay)

Ich bin in meiner Familie die erste Generation, die ohne Krieg aufgewachsen ist. Viele Errungenschaften der EU spüre ich täglich. Die Freiheit, in einem anderen EU-Land leben und arbeiten zu dürfen, den Euro, die abgeschafften Roamingebühren, Standards bei Produkten und vieles mehr. Ich bin dankbar, Unionsbürgerin zu sein, und hoffe, dass auch noch zünftige Generationen die vielen Errungenschaften der EU genießen können. Doch in letzter Zeit bereitet mir die Tendenz der EU zu ihrer Desintegration zunehmend Sorge. Die letzte Woche war keine gute für die EU. Am Montag tagten die Außenminister in Brüssel. Bei drei von vier Tagesordnungspunkten gelang es den Mitgliedsstaaten nicht, mit einer Stimme zu sprechen. In diesem Politikbereich gilt nämlich das Einstimmigkeitsprinzip.

Selbstverständlich hat in der EU jedes Mitgliedsland das Recht, seine Position und seine Bedenken einzubringen und zu verhandeln. Aber gut wäre es, wenn man die gemeinsamen Ziele und den europäischen Mehrwert dabei noch im Auge behielte und die Konsensfähigkeit nicht völlig verliert. Ich kann daher den Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker
gut verstehen, wenn er bereits mehrmals einforderte, die EU müsse „weltpolitikfähig“ sein. Wie soll die EU als Einheit in einer globalisierten Welt bestehen? Und dann auch noch der Streit über die geplante deutsche Pkw-Maut. Der Generalanwalt empfiehlt dem Europäischen Gerichtshof, die Klage der österreichischen Regierung abzuweisen. Er sieht es als legitim an, dass Deutschland bei allen Nutzern der deutschen Autobahnen, egal ob Inländer oder Ausländer, eine zweckgebundene
Infrastrukturabgabe in Form einer Vignette einheben darf. Und dass Deutschland den deutschen Autofahrern bei der nationalen Kraftfahrzeugsteuer Steuerentlastungen geben darf, weil hier nur die deutschen Fahrzeughalter steuerpflichtig sind. Andere EU-Bürger unterliegen eigenen Steuergesetzen.

Ich finde es bedauerlich, dass eine aus Populismus geborene Ankündigung im deutschen Bundestagswahlkampf, die Einführung einer „Ausländermaut“, nun die Gemüter erhitzt und zu zwischenstaatlichen Streitereien führt. Sollte der EuGH den Empfehlungen folgen, wird das nur jene befeuern, die schon über Revanche-Maßnahmen durch eigene Steuerpraktiken
und Rückvergütungen für die „eigenen“ Staatsbürger nachdenken. Solche Maßnahmen würden dann am laufenden Band bei
jeder neu eingeführten „Inländerbevorzugung“ weitere EuGH-Verfahren provozieren und letztlich das ganze Integrationsprojekt der Europäischen Union ins Wanken bringen. Ich kann es nicht genug betonen, nationalistische „Mia-san-mir“-Mentalitäten sind Gift für die Europäische Union, die sie zerbrechen lassen können.

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EU ist unser Alltag!

(Bild von Pexels auf Pixabay)

Der Brexit zeigt auf, was für ein Privileg die Unionsbürgerschaft ist. Sie ist aber gleichzeitig auch eine Verantwortung. Die anstehenden Europa- Parlamentswahlen im Mai 2019 sind entscheidend. Das hören wir zwar jedes Mal, wie zum Beispiel 2014, als man noch mit dem Slogan „Diesmal ist es anders“ kampagnisierte. Trotzdem lag die Wahlbeteiligung europaweit nur bei 42,61 Prozent. Bei den letzten EP-Wahlen war aber noch weit und breit kein Brexit in Sicht, der amerikanische Präsident hieß noch Barack Obama und nicht Donald Trump, und es drohten auch keine Handelssanktionen seitens der USA.

Warum ist es diesmal wirklich entscheidend? Weil der Ausgang der Wahlen im europäischen Parlament die Kräfteverhältnisse möglicherweise neu ordnet. Es wird nach dem Brexit keine britischen Abgeordneten mehr geben.Den beiden großen Fraktionen, der Europäischen Volkspartei (EVP) und den Sozialdemokraten (S&D), werden Verluste vorausgesagt, Umfragen gehen davon aus, dass die europaskeptischen Anti-Immigrationsparteien (z.B. die Lega Nord mit Matteo Salvini) zulegen werden. Wer Nachfolger von Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident wird, das wird vom Ausgang der Wahlen im Europaparlament mitbeeinflusst.

Das neu gewählte Europäische Parlament muss den zukünftigen Kommissionspräsidenten mit absoluter Mehrheit bestätigen. Diese Mehrheiten muss der Kandidat für diese Funktion erst einmal finden. Das größte, direkt gewählte Parlament der Welt, das Europäische Parlament, stimmt über europäische Gesetzesvorhaben ab und muss dem neuen mehrjährigen EU-Budget (Finanzrahmen) zustimmen. Ein sehr wichtiges Dossier, das derzeit auch unter österreichischem Vorsitz verhandelt wird. Es ist also für unseren Alltag ausschlaggebend, wie die Kräfteverhältnisse im Europäischen Parlament sein werden, ob EU-Gesetzgebung europaskeptisch oder pro-europäisch abgestimmt wird.

Die Europäische Union hat vielfach gezeigt, dass sie etwas für ihre Bürger und Bürgerinnen bewegen kann. Sie hat Frieden in Europa gesichert, Wohlstand ermöglicht, wirtschaftliche Hürden und Grenzen abgebaut, Mobilität erleichtert und hilft mit, für viele Lebenschancen zu erweitern. Trotzdem fühlen sich viele zu Hause von den Errungenschaften der Europäischen Union wenig tangiert. Brüssel dient weiter als Sündenbock für fast alles, womit man zu Hause nicht zufrieden ist. Kurz vor den Europa-Parlamentswahlen wird das Vereinigte Königreich Ende März aus der Europäischen Union austreten. So traurig der Brexit ist, doch keine Informationsbroschüre oder Website wird jemals besser vor Augen führen, was es bedeutet, bei der Europäischen Union dabei zu sein, oder eben nicht. Wie der Austritt verlaufen wird – geordnet nach Austrittsvertrag – oder chaotisch und ungeplant, steht noch in den Sternen und wird am 11. Dezember in London im britischen Unterhaus abgestimmt werden.

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Der europäische Mehrwert

In jüngster Zeit sind insbesondere in Österreichs Nachbarschaft wieder mehr Versuche von nationalen Alleingängen zu beobachten. Eine „Mia-san-mir-Mentalität“ ist kontraproduktiv, weil sich viele Herausforderungen der EU, wie Klimaschutz, Globalisierung, Digitalisierung, Protektionismus, Migration und vieles mehr, nicht alleine lösen lassen. Nationale Egoismen bremsen die Handlungsfähigkeit der EU. Dabei wäre es so wichtig zu erklären, wie Entscheidungen zustande kommen und welche Mitwirkungsrechte es gibt, damit Bürger und Bürgerinnen sich nicht abgehängt fühlen. Den Gemeinden und Regionen käme hier eine wichtige Kommunikationsaufgabe zu. Denn in Wahrheit fährt „die EU“ nicht einfach bei Entscheidungen über den Willen der Mitgliedstaaten hinweg, sondern diese sind überall eingebunden. Auch die Regionen und Gemeinden haben die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben. Die Kommission unterzieht sich vor neuen Gesetzesinitiativen umfangreichen Konsultationsprozessen. Wussten Sie, dass sich lokale und regionale  Gebietskörperschaften auf EU-Ebene nur sehr gering  einbringen? Von all den Stellungnahmen, die die EU-Kommission bei ihren  Konsultationsprozessen für ihre Gesetzesvorhaben erhält, stammt nur rund ein Prozent von Gemeinden oder Regionen. Ich frage mich, warum von den bestehenden Mitwirkungsrechten nicht mehr Gebrauch gemacht wird?

Trotzdem wird regelmäßig das Schlagwort „Subsidiarität“ gerufen. Sie ist auch ein Schwerpunkt der österreichischen Ratspräsidentschaft. In Bregenz wird es im November eine Konferenz dazu geben. Dabei wurde das Prinzip der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit schon 1992 im Vertrag von Maastricht verankert und im Vertrag von Lissabon präzisiert. Beim Subsidiaritätsprinzip geht es um die Aufteilung von Zuständigkeiten. Es ermächtigt die Europäische Union nur dann, ihre Befugnisse auszuüben, wenn eine Angelegenheit von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend erledigt werden kann. Deswegen muss die Europäische Kommission für jedes neue Gesetzesvorhaben eine Folgeabschätzung liefern und begründen, warum die Ansicht besteht, dass ein Tätigwerden auf EU-Ebene notwendig ist. Die EU-Ebene soll dann aktiv sein, wenn dadurch ein europäischer Mehrwert entsteht.

Kürzlich wurde der Bericht der von Kommissionspräsident Juncker eingesetzten Arbeitsgruppe zu „Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und weniger, aber effizienteres Handeln“ vorgelegt. Die Arbeitsgruppe ging etwa der Frage nach, ob es Politikbereiche gibt, bei der die Zuständigkeit von der EU-Ebene auf die Mitgliedstaaten rückübertragen werden müsste. Die wurde klar mit Nein beantwortet. Aber bei „aktiver Subsidiarität“, bei der sich Gemeinden und Länder besser einbringen können und auch besser gehört werden, da gebe es freilich noch Handlungsbedarf.

Nationale Zuständigkeiten und EU-Zuständigkeiten
Quelle: eigene Darstellung

Wollen Sie Stellung nehmen zu neuen EU-Initiativen? Hier geht es zu den öffentlichen Konsultationen der Europäischen Kommission: https://ec.europa.eu/info/consultations_de

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Österreich im Dienste Europas

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Noch knapp zwei Monate und dann ist der Startschuss der dritten Österreichischen Ratspräsidentschaft. Was bedeutet das? Arbeit im Dienste Europas. Die österreichischen Bundesministerinnen und Bundesminister werden viele „EU-Termine“ wahrzunehmen haben. Sie werden noch häufiger nach Brüssel, Straßburg und Luxemburg reisen. Sie müssen innerhalb eines halben Jahres 36 Ministerräte auf EU-Ebene leiten und die Regierungsmitglieder werden im Europäischen Parlament insgesamt ca. 64 Auftritte absolvieren. Bundeskanzler Kurz wird an Europäischen Räten teilnehmen, Gastgeber eines informellen Treffens der Staats- und Regierungschefs in Wien sein und zu Beginn und zum Ende der Ratspräsidentschaft vor dem Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg auftreten. 15 informelle Ministertagungen werden in Österreich stattfinden. Vorbereitet werden die EU-Ministerräte und die Europäischen Räte in 250 Ratsarbeitsgruppen, von denen 198 Gruppen von Österreichern während der österreichischen Ratspräsidentschaft geleitet werden. Jede einzelne der rund 2000 Arbeitssitzungen im Rat muss hervorragend vorbereitet sein. Die Ratspräsidentschaft plant die Sitzungen und gibt die Tagesordnung vor, verhandelt Kompromisse, zieht die Fäden hinter den Kulissen und organisiert Veranstaltungen.

Österreichs Ratspräsidentschaft fällt in eine schwierige Zeit. Das Europäische Parlament wählt am 23. Mai 2019, Österreichs Vorsitz findet gegen Ende der EU-Legislaturperiode statt. Hingegen hat die österreichische Gesetzgebungsperiode erst begonnen. Die Erwartungen an Österreich sind sehr hoch. Nicht zu Letzt, weil noch versucht werden muss, in Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament bei rund 90 Dossiers Einigungen zu erzielen. Darüber hinaus fallen zwei Herausforderungen in unser Präsidentschaftssemester: der Scheidungsvertrag mit dem Vereinigten Königreich zum „BREXIT“  und das gemeinsame EU-Budget nach 2021 (der sogenannte mehrjähriger Finanzrahmen). Beim EU-Budget hat ja Österreich die Position, dass der österreichische Beitrag von rund 1% des Bruttonationaleinkommens konstant bleibt. Die Beschlüsse über das Budget müssen einstimmig getroffen werden! Ein Thema, mit dem Österreich aber vor allem atmosphärisch zu kämpfen haben wird, ist, dass die bestehenden Klüfte zwischen West und Ost, Nord und Süd, NATO und nicht-NATO-Ländern kleiner werden und nicht größer. Denn ein Europa der zwei Geschwindigkeiten ist nicht das Problem, sondern eine EU der verschiedenen Richtungen.