
Die türkis-grüne Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass alle Jugendlichen zwischen 15-20 Jahren einmal für eine Woche nach Brüssel und dort die EU-Institutionen kennenlernen sollen. Schönes Ziel. Stimmt, ich kann bestätigen, dass Brüsselreisen Saulus-Pauluswunder bewirken können. Viele Besuchergruppen kehren europabewusster und informierter zurück. Die EU-Institutionen von innen zu sehen, selbst zu erkennen, dass hier keine Eurokratenmonster, sondern hoch engagierte Menschen mit viel Herzblut für die Zukunft der EU arbeiten, ist absolut begrüßenswert. Zusätzlich profitieren viele von der Möglichkeit, Informationen aus erster Hand zu erhalten, so manche Mythen können aufgeklärt werden. Wenn junge Menschen erleben, dass die Welt größer und bunter ist, als man es eigentlich von zu Hause gewohnt ist, das kann für Jugendliche sogar lebensentscheidend sein. Nur kommen wir vom Anspruch zur Wirklichkeit: In Österreich gibt es rund 500. 000 Jugendliche. In der Sekundarstufe II sind laut Statistik Austria 436 110 Schüler und Schülerinnen. Es ist komplett unrealistisch, dass alle Jugendlichen nach Brüssel reisen und sie können auch nicht zwangsverpflichtet werden. Wie bei vielen anderen Stellen des Regierungsprogramms auch, sind viele Vorhaben eher Überschriften. Die Finanzierung ist offen, Details, ob das eine Initiative des Bildungsministeriums oder des Bundeskanzleramts ist, sind nicht bekannt. Frau Europaministerin Edtstadler hat in einem ZIB2-Interview zwar angekündigt, dass so viele Jugendliche wie möglich nach Brüssel kommen sollen und dass das so flächendeckend wie möglich umgesetzt wird. Ich befürchte, dass eine solche Ankündigung von vornherein zum Scheitern verurteilt sein wird. Selbst wenn künftig 100 Schulklassen aus ganz Österreich statt ihrer Sport-, Wien- oder Schullandwoche nun nach Brüssel reisten, wäre das de facto ein großer Anstieg. Es würde aber trotzdem nicht als Erfolg bewertet werden, weil gemessen an der Gesamtzahl, das nur ein Tröpfchen auf dem heißen Stein ist. Ich hätte mir realistischer, messbare und überprüfbare Ziele gewünscht, zum Beispiel die Aktion „1000 Lehrer nach Brüssel“ wieder zum Leben erweckt. In der Folge wären sicher Brüsselreisen ganz von alleine entstanden.
Ich kann aus deiner und auch aus meine Praxissicht deine Sorge verstehen.
Dennoch bin ich froh, dass wenigstens irgendwo die Idee Europa und Bildung im Regierungsprogramm verankert ist. Meine Erfahrung sagt mir, dass es diese Verankerung noch an viel mehr Stellen geben sollte – in lokalen, regionalen und nationalen Regierungsabkommen.
Ich denke wir werden nicht scheitern, weil a) wie du sagst, jeder junge Mensch, der Europa im Herzen trägt wie sein eigenes Land, Scheitern verhindert und weil ich b) hoffe, dass wir Expert*innen aus Erasmus und Bildung unsere Ideen und Umsetzungskraft dazu einbringen können und dass man uns auch Strukturen dafür zugesteht, damit eine nachhaltige Wirksamkeit gewährleistet ist.
Ich habe ungefähr 300 Ideen 🙂
Gemeinsam mit deinen und mit denen von Tina Obermoser sind das dann schon 900.
Mehr als ein Drittel der steirischen Schulen sind bereits Erasmusschulen, das ist ja schon was! Un dich bin da ziemlich stolz auf die steirischen Schulen.
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Liebe Mirjam! Du hast leider völlig recht – viel zu viele undurchdachte Überschriften! Deine Anregung, bei den Lehrpersonen anzusetzen, ist genau richtig. Sie würde den dringend notwendigen Multiplikatoreffekt bringen. Leider wurde die Aktion „1000 Lehrer nach Brüssel“ unmittelbar nach dem EU-Beitritt eingestellt. Ich habe mir als Vertretungsleiter 6 Jahre lang bei den jeweiligen Unterrichtsministerinnen die Zähne ausgebissen, diese Aktion wieder zu beleben! Vielleicht ist sie nun die Lösung für diese blamable Ansage!
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Liebe Mirjam
Ich kann nur deinen Kommentar unterstützen. Es wäre eigentlich noch effizienter die erfolgreiche Erasmus + Projekte in Österreich und europaweit sichtbar zu machen und für zukünftige Projekte eine ergänzende nationale Förderung anzubieten. Danke für deine inspirierende Posts.
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