Blog · Home

Sie nennen uns Falken

Quelle. elsevierweekblad.nl

In Italien werden die frugalen Mitgliedstaaten Niederlande, Dänemark, Schweden und Österreich “die Falken” genannt. In italienischen Fernsehnachrichten wird, sobald von den Frugalen die Rede ist, gerne Bundeskanzler Sebastian Kurz und der niederländische Premierminister Mark Rutte zur leichteren Visualisierung ins Bild gesetzt. Österreich wird dann ebenso wie auch die Niederlande als geizig und hartherzig wahrgenommen, die auf Kontrollrechte und eigene Rabatte beharren.

Eine Einigung über den EU-Finanzrahmen bis 2027 und den Wiederaufbaufonds, der insbesondere den am härtesten getroffenen Mitgliedstaaten helfen soll, nach der Corona-Krise wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen, ist längst überfällig. Viele Bürger und Bürgerinnen der EU sind durch Covid-19 hart getroffen. Die Pandemie ist längst noch nicht vorüber. Jeder Tag zählt und Klarheit über den EU-Finanzrahmen ist schon deshalb notwendig, damit die neuen Finanzprogramme pünktlich 2021 starten können.

Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, versuchte mit einem Kompromissvorschlag die fest gefahrenen Verhandlungen beim EU-Wiederaufbaupaket zu deblockieren, indem er eine Art Notbremse vorschlug, bei denen die Mitgliedstaaten die Reformpläne mit qualifizierter Mehrheit annehmen müssen. Der niederländische Premier Rutte wollte ursprünglich sogar ein Vetorecht, was aber für Italien eine rote Linie war. Für Österreich, Dänemark und Schweden wurden sogar höhere Rabatte vorgeschlagen. Der vorgeschlagene Kompromiss macht die konkrete Handhabe des Wiederaufbaufonds komplizierter und stärkt die Mitgliedstaaten.Charles Michel hat gezeigt, dass er die Verhandlungen im Europäischen Rat führen kann. Für die EU ist es wichtig, dass sie zeigt, dass sie lösungsorientiert ist.

Die EU-Bürgerinnen und Bürger verdienen eine handlungsfähige Europäische Union! Weiters wäre ich froh, wenn wir das frugale Image bald ablegen könnten und in Italien eher als “cari amici”, als “liebe Freunde” wahrgenommen würden, die Notleidende nicht hängen lassen. Dazu wäre freilich noch ein bisschen mehr europäisches Gemeinschaftsgefühl erforderlich.

Blog · Home

100 Tage Corona

Es war lange Stillstand. Corona hat wie eine Lupe auf die Problemfelder in unserer Gesellschaft gezeigt. Große Ungleichheiten bei Bildung, Gesundheit und Arbeit kamen zu Tage und werden noch virulenter. Schonungslos wurde uns aufgezeigt, wie verletzlich wir sind und wie schnell wir durch eine Pandemie ausgebremst werden können. Ja, wir waren nicht ausreichend auf eine weltweite Seuche vorbereitet und wir werden die wirtschaftlichen und sozialen Folgen noch lange spüren. Und wie geht es uns nach rund 100 Tagen Corona? Durchwachsen. Die Freude über gelockerte Maßnahmen ist groß. Der wirtschaftliche Ausblick düster. Die Frage ist nun vielmehr, welche Lektionen ziehen wir daraus uns was nehmen wir für die Zukunft mit? Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 bis 2011 haben wir gesehen, dass zögerliches Verhalten der Spitzenpolitiker das Aufspannen der Rettungsschirme für Griechenland nur noch teurer gemacht hat. Vor allem Deutschland hat diese Lektion gelernt und stärkt die EU mit dem Aufbaufonds, weil Merkel systemisch versteht, dass Deutschland die EU braucht und umgekehrt. Seit über zwei Jahren diskutieren Staats- und Regierungschefs das nächste EU-Budget. Beim virtuellen Gipfel konnte man sich wieder nicht einigen, aber zumindest gibt es eine “Landezone”. Die Hoffnung besteht, dass gleich zu Beginn der Deutschen Ratspräsidentschaft noch im Juli dann doch noch die einstimmige Einigung erzielt werden kann. Ich glaube, dass langsam erkannt wird, dass der Faktor Zeit wichtig ist und weiteres Durchwursteln keine Strategie ist. Die Debatten über die Folgen von Corona werden weiter gehen. Jene über die Zukunft der EU übrigens auch. Ich empfehle für zukünftige Politikentscheidungen die Corona-Erfahrungen wie eine Lupe zur Hand nehmen und zu überlegen, welche sozial- und gesundheitspolitischen, aber auch bildungs- und wirtschaftspolitischen und klimafreundlichen Schwerpunkte zu setzen sind, damit wir solchen Krisen künftig gewachsen sind. Die aus der Corona-Zeit gewonnenen Erkenntnisse sollten nicht verschwendet werden.

Blog · Home

Zeit für eine europäische Renaissance

europe-2069532_1920 (1)

Foto: Pixabay

„Meistens belehrt erst der Verlust uns über den Wert der Dinge“, schrieb Arthur Schopenhauer in seinen „Aphorismen zur Lebensweisheit“. Sein Ratschlag hat nichts an Aktualität verloren. Seit Corona mussten wir viele unserer lieb gewonnenen Gewohnheiten radikal umstellen. Wir spüren den Wert derjenigen Dinge mehr, die wir in „normalen“ Zeiten 1000fach ohne groß darüber nachzudenken genießen konnten. Ich denke dabei an freies, grenzüberschreitendes Reisen, Menschen unbegrenzt treffen oder einladen zu dürfen und Kulturveranstaltungen besuchen zu können. Diese Freiheiten und die Möglichkeit der unbeschränkten Mobilität sind für mich die Kernwerte der Europäischen Union. Ich sehne mich danach wieder zur alten, unbeschwerten Zeit ohne Maskenpflicht, Maßregelungen und Mobilitätseinschränkungen  zurückkehren zu können.

2020 ist ein großes Jahr der Jubiläen und Gedenktage. Neben all den historischen Daten die an das Ende des 2. Weltkrieges und die Wiedererrichtung der Republik Österreich erinnern, möchte ich noch einen europäischen Feiertag in Erinnerung rufen: den Europatag am 9. Mai. Vor genau 70 Jahren verkündete der französische Außenminister Robert Schuman seinen Plan, eine Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) zu schaffen, die die französisch-deutsche Produktion von Kohle und Stahl kontrollieren sollte. Dadurch sollte einerseits die Grundlage für den wirtschaftlichen Wiederaufbau gesichert, aber andererseits einseitige Aufrüstung verhindert und damit Krieg zwischen Frankreich und Deutschland unmöglich gemacht werden. Mit dieser EGKS wurde der Grundstein für die heutige Europäische Union gelegt, die letztlich auf einer Friedensidee basiert. Österreich ist seit 25 Jahren Mitglied der Europäischen Union. Und was hat uns diese Mitgliedschaft gebracht? Mehr Öffnung, mehr Exportchancen, mehr Wirtschaftswachstum, Preisvergleiche durch den Euro, mehr Konsumentenschutz, mehr Arbeitsplätze, Reisen, Wohnen, Arbeiten und Studieren ohne Grenzen. Covid-19 hat hier Sand ins Getriebe gestreut.  Die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen werden uns noch länger begleiten. Die Pandemie zeigt uns, wir sitzen alle im selben Boot. Keiner von uns kann Corona allein besiegen. In einer vernetzten Welt müssen wir es alle gemeinsam schaffen, Covid-19 unter Kontrolle zu halten. Damit wir in der EU auch wieder gestärkt aus der Krise hervorgehen können, ist es am besten, wenn wir unsere Ressourcen zur Bekämpfung der Pandemie und ihren Folgen bündeln, wie das bei der gemeinsamen Erforschung eines Impfstoffs beispielsweise der Fall ist. Genauso wie Visionäre wie Robert Schuman den Grundstein für ein geeintes Europa legten, ist es Zeit für eine europäische Renaissance. Wagen wir mehr gemeinsames Handeln in Europa!

Blog · Home

Krisen-Nationalismus versus EU-Solidarität

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Hat es COVID-19 gebraucht um uns durchzuschütteln? Als ob die Polykrisen der vergangenen Jahre innerhalb und außerhalb der EU noch nicht genügt hätten, Bewusstsein zu schaffen, dass wir in der EU gemeinsam agieren müssen?  

Die Corona-Pandemie hat viele Mitgliedstaaten am falschen Fuß erwischt. „Brüssel“ oder „die EU“ sind wieder einmal schuld an allem und der Krisen-Nationalismus hat Hochkonjunktur.

Das unsolidarische Verhalten vieler EU-Mitgliedstaaten hat mich sehr irritiert. Schnell wurden innerhalb der EU wieder Grenzen kontrolliert, Exportverbote für Schutzausrüstung verhängt (auf Druck der Europäische Kommission wieder aufgehoben) und „der EU“ wurde rasch der schwarze Peter hingeschoben und ihr Versagen vorgeworfen.  Gleichzeitig haben die Vertreter der Mitgliedstaaten in diversen Ratsgremien Solidarität eingefordert, die sie aber selbst nur sehr zögerlich gewähren. Statt „alle für einen und einer für alle“ reagiert eher die Devise „jeder für sich“. Wenn man das Wesen der EU wirklich verstehen möchte, muss man zuerst begreifen, dass die EU nur im Zusammenspiel aller EU-Organe funktionieren kann. Kommissionspräsidentin Von der Leyen bemängelte kürzlich im Europäischen Parlament „als Europa echten Gemeinschaftsgeist brauchte, wählten zu viele zunächst den Alleingang. Und als Europa wirklich beweisen musste, dass wir keine Schönwetterunion sind, weigerten sich zu viele zunächst, ihren Schirm zu teilen.“  Dabei sind die Mitgliedstaaten für Gesundheitsfragen und auch für die Bevorratung ihrer Gesundheitsinfrastruktur zuständig. Die EU-Kommission arbeitet auf Hochdruck in ihrem Zuständigkeitsbereich, kümmert sich um gemeinsame Beschaffung von Schutzausrüstung, lockert Budgetregeln, organisiert über den EAD Rückholflüge und bringt in Rekordzeit SURE, ein Kurzarbeits-Unterstützungsinstrument auf den Weg. Die EU tut was sie kann. Sie ist aber auch von der Bereitschaft zur Teamarbeit seitens der Mitgliedstaaten abhängig. Die COVID-19 Pandemie ist eine Herausforderung für alle. Wir sitzen alle im selben Boot. Wenn wir es als Union nicht schaffen, nationale Egoismen zu überwinden, ist die EU als Wohlstands- und Gemeinschaftsprojekt zum Scheitern verurteilt! Es geht nur gemeinsam.

Blog · Home

EU-Budgetverhandlungen offenbaren Brüche

Cartoon von Pierre Kroll aus 2010, sinngemäß für die Budgetverhandlungen auch noch 2020 gültig.

Fast zwei Jahre dauert dieses Schattenboxen um den mehrjährigen Finanzrahmen schon an und letztlich feilschten die Staats- und Regierungschefs vergeblich um die zweite Ziffer hinter dem Komma. Diese Verhandlungen sind wie multidimensionales Schachspiel und gehören zu den schwierigsten in der EU überhaupt. 27 Länder bedeuten 27 Meinungen unter einen Hut zu bringen. Bei diesem EU-Basar waren Fragen zu klären, wie viel die EU ausgeben darf und wofür. Dabei wurden Unterschiede nicht verringert, sondern die Brüche innerhalb der EU offenbart. Der Bevölkerung wurde vorgeführt, wie schwierig Einigungen auf europäischer Ebene herbeizuführen sind, insbesondere, wenn sie einstimmig zu erfolgen haben. Weltpolitikfähigkeit sieht anders aus. Die Verhandlungen um die Budgetzahlen spielten sich im Promillebereich hinter dem Komma ab.

Es ging aber auch um die Frage, bei welchen Rubriken (Bereichen) es Aufstockungen und wo es Kürzungen geben sollte? Hier hatten Mitgliedstaaten natürlich unterschiedliche Prioritäten. Vereinfacht gesagt, sollte mehr in Kühe oder doch mehr in Klimaschutz investiert werden? Sollte Fördergeld an rechtsstaatliche Bedingungen geknüpft werden? Sollte bei der Hilfe für die ärmsten Regionen Europas gekürzt werden? All diese Fragen bargen großen Konfliktstoff, legten schonungslos die Differenzen zwischen den Sparsamen Vier und den Freunden der Kohäsion offen. Wenn’s ums Geld geht, hört sich der Spaß auf. Deswegen sind Einigungen beim EU-Budget ja so schwierig, weil in dieser Situation das Trennende vor dem Gemeinsamen überwiegt. Was die EU aber dringend bräuchte, wäre mehr Vertrauen untereinander, mehr Miteinander und Zusammenhalt.

Home

Die Kabinette der Kommissare

Wenn alles gut geht im Europäischen Parlament und das Team der neuen Kommissare unter der Ursula von der Leyen-Kommission am kommenden Mittwoch bestätigt wird, kann die neue EU-Kommission am 1. Dezember starten. Die Juncker-Kommission musste ja noch einen „Bonus-Monat“ anhängen, weil es Nachnominierungen und neue Anhörungen für die drei abgelehnten Kommissare aus Frankreich, Ungarn und Rumänien gab. Nach Wochen der Übergangsphase, dem Brodeln der Gerüchteküche über personelle Veränderungen und Rätselraten, wer was wird, lichtet sich langsam der Nebel und die Orientierung beginnt, wo welche Ansprechpartner zu identifizieren sind. Mit Kommissar Hahn und seinem Team haben wir aus österreichischer Perspektive eine hervorragende Kontinuität, auch seine österreichischen Mitarbeiter im Kabinett bleiben ihm erhalten. Angesichts aktueller Diskussionen um Postenbesetzungen in Österreich, siehe Casino AG, ist vielleicht interessant zu beleuchten, wie die Kabinette der Kommissare zusammengestellt werden. Die Kommissare müssen sich nämlich an genaue Regeln halten, anders als das in Österreich etwa bei der Rekrutierung von Mitarbeitern in Ministerbüros der Fall ist.  Jeder Kommissar kann nur  sechs Mitarbeiter auf Referentenebene in sein Kabinett rufen, das sind Kabinettschef, stellvertretender Kabinettschef, Kommunikationsberaterin und drei Fachreferentinnen. Von den sechs Kabinettsmitgliedern müssen drei EU-Beamte sein, drei dürfen von außerhalb der EU-Organe befristet für die Dauer des Mandats des Kommissars rekrutiert werden. Die Kabinettsmitglieder sollten die Vielfalt der Europäischen Union widerspiegeln, das heißt, es müssen mindestens drei verschiedene Staatsangehörigkeiten im Kabinett vertreten sein. Der Kabinettschef oder der stellvertretende Kabinettschef darf nicht die gleiche Staatsangehörigkeit haben, wie der Kommissar. Darüber hinaus sollte auch auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet werden.  Interessant. Mich als Bürgerin würde ja interessieren, ob  Ministerkabinette der künftigen Bundesregierung in Österreich ebenfalls so ausgewogen zusammengestellt werden, wie das die Kommissare handhaben müssen. Brüsseler Gepflogenheiten könnten hier Vorbildwirkung haben. 

Blog · Home

Unsere europäische Lebensart

In der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen soll es einen Vizepräsidenten mit der Zuständigkeit für „Schutz unserer europäischen Lebensart“ geben. Dafür auserkoren wurde der Grieche Margaritis Schinas, der ehemalige Chefsprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die Bezeichnung des künftigen Portfolios von Schinas geriet gleich nach Bekanntgabe des Teams der Kandidaten und Kandidatinnen für die von der Leyen-Kommission heftig unter Kritik. Was genau soll „Schutz der europäischen Lebensweise“ heißen und besteht nicht das Risiko, dass es mit der Verknüpfung der Zuständigkeit mit Migration, Asyl, Sicherheitsunion eher in Richtung „Sicherung der Festung Europas“ verstanden werden könnte? Oder meint es eher, die EU steht für Wohlstand, Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit von Frauen und Männern, Rechtsstaatlichkeit, Nichtdiskriminierung, Frieden? Hier gibt es wohl Interpretationsspielraum. Ein Blick in die von der zukünftigen Präsidentin der EU-Kommission von der Leyen mitgeschickte Arbeitsbeschreibung für den designierten Vizepräsidenten „für den Schutz unserer europäischen Lebensart“ gibt Auskunft. Laut von der Leyen fußt die europäische Lebensart auf „Solidarität, Seelenruhe und Sicherheit“. Legitime Ängste und Sorgen über die Auswirkungen von irregulärer Migration auf Wirtschaft und Gesellschaft müssten angesprochen werden und gemeinsame Lösungen ausgearbeitet werden. Kompetenzen, Bildung und Integration spielen hier eine Schlüsselrolle im Portfolio von Schinas. Er muss beispielsweise die Arbeit an einer ambitionierten Bildungsagenda koordinieren und einen Europäischen Bildungsraum in die Realität umsetzen, während Bildung gar keine EU-Kompetenz ist, sondern unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung steht. Außerdem soll er dafür sorgen, dass der Zusammenhalt der Gemeinschaft gestärkt und Migranten und Flüchtlinge besser in die Gesellschaft integriert werden. Angesichts dieser Arbeitsbeschreibung frage ich mich, warum hat von der Leyen dieses Portfolio nicht gleich „Vizepräsident für Bildung und Integration“ genannt? Das wäre ein schönes Signal gewesen, weil  Bildung und Integration unsere europäische Lebensart nicht nur schützt, sondern sogar verbessert.

Home

Nichts ist wirksamer wie das persönliche Gespräch

 Heute am 1. Juli 2019 sind es auf den Tag genau 10 Jahre, seit ich an der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU die Leitung des Besuchs- und Informationsdienstes übernahm. In diesen 10 Jahren durfte ich gemeinsam mit meinen wunderbaren Programmkoordinatorinnen (großes Dankeschön an Christine Neumann, Tina Obermoser, Regina Rusch und nun seit August 2018 Lydia Korinek) ganz genau 1500 Besuchergruppen betreuen, die alle maßgeschneiderte Besuchsprogramme erhielten. Insgesamt waren das 44 225 Personen, die wir im Laufe der Jahre als Besucher hier begrüßen durften. Das sind ungefähr so viel wie die Einwohner von Wiener Neustadt oder etwa fast ganz Dornbirn. Ich selbst habe in diesen Jahren stolze 919 Vorträge vor Gruppen gehalten und ich werde nicht müde, das auch weiterhin mit viel Enthusiasmus und Engagement zu tun. Nun, was waren die Themen im Laufe der Jahre:  

Beim Besuchs- und Informationsdienst haben wir die Möglichkeit, den Kontakt zu unseren Landsleuten aber auch internationalen Gästen zu pflegen, ihre Fragen, Anliegen und Interessen zu registrieren. Die Interessensgebiete waren vielfältig und bildeten jeweils die europapolitisch aktuellen Themen ab. So war im Jahr 2009 und 2010 noch der Vertrag von Lissabon und parallel dazu die Wirtschafts- und Finanzkrise stark nachgefragte Themen. Letzteres zog sich bis zum Jahr 2015. Diskussionen zu Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA beschäftigen die BesucherInnen besonders in den Jahren 2015 und 2016. Das waren auch die Jahre in denen sehr verstärkt Vortragswünsche zu Brexit und zu Asyl- und Migrationsfragen wahrnehmbar waren. Konstanten bei der Nachfrage an Vortragsthemen sind Lobbying und Interessensvertretung in der EU sowie die Rolle und Aufgaben der Ständigen Vertretung Österreichs. Zuletzt hat auch die vergangene österreichische Ratspräsidentschaft 2018 viele Besuchergruppen neugierig gemacht. Eine Konstante ist aber auch, dass der Mythos der Gurkenkrümmung (seit 2009 abgeschafft), immer noch hartnäckig bei der Bevölkerung verankert ist. Aktuell ist bereits stärkeres Interesse zu Klimawandel und Umweltpolitik zu vernehmen.

Was habe ich den 10 Jahren gelernt?

Nach meiner persönlichen Erfahrung in der Europa-Kommunikation ist nichts wirksamer als das persönliche Gespräch. Deswegen ist achtsames Gastgeben „hosting“ sowie Authentizität sehr wichtig. Dazu gehört das Eingehen auf die jeweilige Zielgruppe und viele partizipative und interaktive Angebote. Besonders wichtig ist es, die BesucherInnen zum Fragenstellen zu animieren und auf ihre Fragen einzugehen. Es ist immer wunderbar, wenn sich BesucherInnen „abgeholt“ fühlen und man ihnen ansieht, wenn ihnen eine Antwort einen Erkenntniszugewinn bereitet. Für mich persönlich gibt es kaum beruflich etwas Schöneres als die zufriedenen Gesichter der Gäste und feedbacks wie „Frau Dondi, ich hätte Ihnen noch stundenlang zuhören können. Schade, dass der Besuch schon vorbei ist“.

Vermutlich habe ich mein persönliches Igikai hier in diesem Beruf gefunden. Ich tue das, was ich gerne tue und kann und was meinen Werten entspricht. Ich verstehe mich als Gastgeberin, Europa-Erklärerin und Übersetzerin komplexer EU-Themen in eine verständliche Sprache. Dass ich bereits 10 Jahre diese wundervolle, aber auch verantwortungsvolle Kommunikationsarbeit hier an der Ständigen Vertretung Österreichs ausüben darf, dafür empfinde ich tiefe Dankbarkeit.

Man lernt am besten durch Begegnungen. Ich bin so dankbar über diese vielen Kontaktmöglichkeiten und was ich von unseren Besuchergruppen und auch von anderen Vortragenden lernen durfte. Die Fragestellungen sind oft eine gute Übung, die eigene Arbeit zu reflektieren und ich glaube, dass der häufige Kontakt mit Menschen auch sehr hilft, Bodenhaftung zu bewahren. Für mich waren die vergangenen 10 beruflichen Jahre eine ganz große Freude. DANKE!

Home

Wenn die Saat aufgeht…

Am 9. Dezember 2016 stand ich vor dem Dilemma, 4 Besuchergruppen zu betreuen, wobei zwei davon sich den gleichen Zeitpunkt wünschten. Es handelte sich um eine Gruppe von PädagogInnen aus Oberösterreich und um eine Studierenden-Gruppe, die ehrenamtlich in einem „legal literacy Programm“ engagiert sind, um SchülerInnen und Schülern rechtliche Grundkenntnisse Begriffe näher zu bringen. Für mich war es daher naheliegend, diese zwei Besuchergruppen zusammen zu bringen, den Studierenden Zeit zu geben, ihr Projekt zu präsentieren und die Besucher anzuregen, miteinander in Dialog zu treten. Glücklicherweise waren beide Gruppen mit einem „matching“ einverstanden. Nun: Heute war der Gruppenleiter von damals, Dr. Klaus Zeugner von der PH-Oberösterreich wieder mit einer Gruppe von Pädagoginnen du Pädagogen in Brüssel zu Gast: Er berichtete, dass von den damaligen Begegnungen hier in Brüssel an der Ständigen Vertretung Österreichs unzählige Projekte in Oberösterreich entstanden sind und seither zahlreiche Workshops an oberösterreichischen Schulen stattgefunden haben. Es ist schön zu sehen, wenn aus Dialog auf Augenhöhe Projekte wachsen können. Und schön, dass ich hier in Brüssel davon erfahren darf, wenn irgendwo in Österreich die Saat aufgeht. Was für eine schöne Ernte für mich.

Home

25 Jahre gemeinsam statt einsam!

Foto: Apa

Es waren beeindruckende 66,6 Prozent, die vor genau 25 Jahren für Österreichs Beitritt zur EU gestimmt haben. Ich kann mich noch genau an diesen sonnigen sommerlichen Tag in Wien erinnern, als am Abend das Ergebnis verkündet wurde und Autos hupend über den Ring fuhren, wie wenn Österreich bei einem Fußballmatch gewonnen hätte. Was für ein Freudenfest! Vor 25 Jahren war ich damals Studentin in Wien. Damals habe ich so ziemlich alles auf der Uni belegt, wo „EU“ im Vorlesungsverzeichnis gestanden ist. Beim Europa-Telefon habe ich mir Unmengen an Broschüren bestellt und ich wurde damals nicht müde, über die Vor- und Nachteile des „EG-Beitrittes“, wie es damals hieß, zu diskutieren und Freunde, Verwandte und Bekannte zur Wahl zu bewegen. Wenn ich heute innehalte und manche berufliche Stationen in meinem Lebenslauf Revue passieren lasse, sehe ich jetzt, dass das Thema EU mein Lebensthema ist. Heute darf ich beruflich nahezu täglich über Aufgaben, Aufbau und Alltagsarbeit der EU sprechen. Und ich werde nicht müde, das zu tun. Ich empfinde große Dankbarkeit, dass damals das Referendum so eindeutig ausgegangen ist und wir seit 1995 Mitglied in der europäischen Familie geworden sind.