
Die Europäische Union ist dann erfolgreich, wenn sie geeint auftritt. Leider ist das in letzter Zeit nicht oft zu beobachten. Schuld daran sind die Mitgliedstaaten, die durch ihr teils egoistisches Verhalten die Rolle Europas in der Welt schmerzhaft kleiner machen, als es eigentlich notwendig wäre. Illustrieren lässt sich das bei außenpolitischen Beispielen: So blockierte Frankreich beim EU-Außenministerrat den Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Obwohl es alle Vorgaben erfüllt, sogar seinen Namen von Mazedonien in Nordmazedonien im Hinblick auf beginnende Beitrittsverhandlungen änderte, zahlreiche Reformen durchgeführt hatte und als Vorbild für den ganzen Westbalkan gilt, wurde das Land nun erneut vor den Kopf gestoßen. Ebenso Albanien, bei dem neben Frankreich noch weitere Mitgliedstaaten wie die Niederlande, Dänemark und Spanien den Beginn von Beitrittsverhandlungen ablehnten. Österreich ist traditionell ein Brückenbauer für die Länder des Westbalkans und hätte den Beginn der Beitrittsverhandlungen auch aus wirtschaftlichem Eigeninteresse mit beiden Ländern gerne gesehen. Erweiterungskommissar Johannes Hahn hinterfragte zu Recht, wie die EU international ernst genommen werden soll und globalen Anspruch erheben will, wenn sie nicht einmal in der unmittelbarsten Nachbarschaft funktioniere.
Die EU muss sich schon fragen lassen, inwieweit sie noch als verlässliche und glaubwürdige Partnerin gelten kann. Wie lange wird sie in Kandidatenländern die Motivation zur Hinwendung an die Europäische Union aufrechterhalten? Oder gibt es nicht andere Akteure wie beispielsweise Russland, Türkei oder China, die vielleicht nicht so fordernd auf Reformen und Beitrittskriterien beharren und nach Einfluss streben? Die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen möchte eine geostrategische Kommission sein und Europa in ihrer Rolle des „verantwortungsvollen, globalen Leaderships stärken“. Wie soll das mit einem erodierendem Erweiterungsprozess zusammen passen? Verspätungen und Verschiebungen ist die EU, siehe Brexit, gewohnt. Ihre Verlässlichkeit sollte sie aber nicht aufs Spiel setzen.