In jüngster Zeit sind insbesondere in Österreichs Nachbarschaft wieder mehr Versuche von nationalen Alleingängen zu beobachten. Eine „Mia-san-mir-Mentalität“ ist kontraproduktiv, weil sich viele Herausforderungen der EU, wie Klimaschutz, Globalisierung, Digitalisierung, Protektionismus, Migration und vieles mehr, nicht alleine lösen lassen. Nationale Egoismen bremsen die Handlungsfähigkeit der EU. Dabei wäre es so wichtig zu erklären, wie Entscheidungen zustande kommen und welche Mitwirkungsrechte es gibt, damit Bürger und Bürgerinnen sich nicht abgehängt fühlen. Den Gemeinden und Regionen käme hier eine wichtige Kommunikationsaufgabe zu. Denn in Wahrheit fährt „die EU“ nicht einfach bei Entscheidungen über den Willen der Mitgliedstaaten hinweg, sondern diese sind überall eingebunden. Auch die Regionen und Gemeinden haben die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben. Die Kommission unterzieht sich vor neuen Gesetzesinitiativen umfangreichen Konsultationsprozessen. Wussten Sie, dass sich lokale und regionale Gebietskörperschaften auf EU-Ebene nur sehr gering einbringen? Von all den Stellungnahmen, die die EU-Kommission bei ihren Konsultationsprozessen für ihre Gesetzesvorhaben erhält, stammt nur rund ein Prozent von Gemeinden oder Regionen. Ich frage mich, warum von den bestehenden Mitwirkungsrechten nicht mehr Gebrauch gemacht wird?
Trotzdem wird regelmäßig das Schlagwort „Subsidiarität“ gerufen. Sie ist auch ein Schwerpunkt der österreichischen Ratspräsidentschaft. In Bregenz wird es im November eine Konferenz dazu geben. Dabei wurde das Prinzip der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit schon 1992 im Vertrag von Maastricht verankert und im Vertrag von Lissabon präzisiert. Beim Subsidiaritätsprinzip geht es um die Aufteilung von Zuständigkeiten. Es ermächtigt die Europäische Union nur dann, ihre Befugnisse auszuüben, wenn eine Angelegenheit von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend erledigt werden kann. Deswegen muss die Europäische Kommission für jedes neue Gesetzesvorhaben eine Folgeabschätzung liefern und begründen, warum die Ansicht besteht, dass ein Tätigwerden auf EU-Ebene notwendig ist. Die EU-Ebene soll dann aktiv sein, wenn dadurch ein europäischer Mehrwert entsteht.
Kürzlich wurde der Bericht der von Kommissionspräsident Juncker eingesetzten Arbeitsgruppe zu „Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und weniger, aber effizienteres Handeln“ vorgelegt. Die Arbeitsgruppe ging etwa der Frage nach, ob es Politikbereiche gibt, bei der die Zuständigkeit von der EU-Ebene auf die Mitgliedstaaten rückübertragen werden müsste. Die wurde klar mit Nein beantwortet. Aber bei „aktiver Subsidiarität“, bei der sich Gemeinden und Länder besser einbringen können und auch besser gehört werden, da gebe es freilich noch Handlungsbedarf.

Quelle: eigene Darstellung
Wollen Sie Stellung nehmen zu neuen EU-Initiativen? Hier geht es zu den öffentlichen Konsultationen der Europäischen Kommission: https://ec.europa.eu/info/consultations_de